Der Bau der neuen Connewitzer Kirche

Vorgeschichte und Bauplatz

1756 wurde am Platz der jetzigen Paul-Ger­hardt-Kirche der erste Conne­witzer Fried­hof ein­gerich­tet, mit einer Fried­hofs­kapelle, in der aber nur Be­gräbnis­gottes­dienste, Bet­stun­den und Kate­chismus­unter­richt ge­halten werden durften.

Am 03.11.1771 wurde die alte Conne­witzer Kirche, eine spät­barocke Saalkirche mit etwa 280 Sitz­plätzen, in der König­straße (heutige Prinz-Eugen-Straße) auf dem Schul­berg ge­weiht. Zu ihrer Er­bauung hatten sich die Be­wohner von Conne­witz in »eigen­mächti­ger Weise«, ohne behörd­liche Ge­nehmi­gung, ent­schlos­sen. Die Kosten brachten sie durch Spen­den und Hypo­theken auf alle Conne­witzer Grund­stücke auf.

Connewitz gehörte damals kirchlich zu Probst­heida. Bereits 1842 hatte die Conne­witzer Ge­meinde um Selbst­ständig­keit ersucht, doch erst am 07.10.1875 erfolgte die Grün­dung der Kirch­gemeinde Conne­witz. Da die Ein­wohner­zahl Anfang der 90er Jahre des vorigen Jahr­hunderts auf über 10 000 an­gestie­gen war, wurde die alte Conne­witzer Kirche zu klein. Der Kirchen­vorstand und ein 1892 gegrün­deter Kirchen­bau­verein be­mühten sich daher um die Er­richtung eines neuen Kirchen­gebäudes in an­gemes­sener Größe.

Zum Bauplatz bestimmte man den westlich des Conne­witzer Kreuzes gelege­nen alten Fried­hof, der seit 1882 nicht mehr belegt wurde. Das Kon­sisto­rium in Dresden ging ent­schie­den in Ein­spruch gegen die Wahl eines Fried­hofes zum Kirchbau­platz, aber der Grund und Boden gehörte der Kirch­gemeinde und musste daher nicht von der Stadt gekauft werden, weshalb man der Kosten­ein­spa­rung wegen schließ­lich zustimmte.

Ein Jahr vor Baubeginn, im Jahr1897, gab es auf dem zukünf­tigen Kirchbau­platz noch viele wei­ter­hin ge­pflegte Gräber, und zwar von über 450 na­ment­lich bekannten Erwach­senen. Zu­sam­men mit den in den Akten nicht na­ment­lich be­nannten Klein­kindern waren für ins­gesamt 800 Verstor­bene die jeweilige Aus­hebung und Über­führung der sterb­lichen Über­reste zu organi­sieren. Eine Riesen­arbeit für das Pfarr­amt! Die hand­schrift­lich geführ­ten Akten do­ku­men­tieren jede Vor­sprache der An­gehöri­gen, jeden Antrag und seine Be­arbei­tung.

Der Kirchbau

An einem Entwurfs­wett­bewerb beteiligten sich mehrere Archi­tekten. Zur Aus­führ­ung kam der Ent­wurf von Julius Zeißig, der bereits 1883 bis 1886 die Luther­kirche am Johanna­park erbaut hatte. Im Gegen­satz zur neu­goti­schen Luther­kirche orien­tierte sich Zeißig in Conne­witz an den Formen der deutschen Renais­sance. Der erste Spaten­stich erfolgte am 4. April 1898, die Grund­stein­legung war am 12. Juni 1898, das Rich­tfest am 12. No­vember des­selben Jahres. Die Weihe der neuen Kirche fand am 1. April 1900 statt.

Die Geschichte des Kirch­baus ist aus­führlich dar­gestellt sowohl in einem Vortrag von Wolfram Herwig als auch in unserer Broschüre zum 100. Kirch­bau­jubiläum.

Die im Frühjahr 1899 in den Turm auf­gezo­genen drei Glocken der noch im Bau befind­lichen neuen Kirche waren nach Meinung der Connewitzer »das schönste Bronze­geläut Leipzigs«. Im Ersten Welt­krieg konnte man eine Be­schlag­nahme unter Verweis auf den »hohen künstle­rischen Wert« noch ab­wenden. Aber gegen die Befehle der NS-Macht­haber zur berüch­tigten »Glocken­abgabe« an die Rüstungs­industrie war kein Einspruch möglich.

Vor der Ab­nahme der beiden größeren Glocken hat man am 2.12.1941 Schall­platten­aufnahmen vom Geläut machen lassen. Dazu reiste der Dresdner Dom­organist an, der über ein ent­sprechen­des Auf­nahme­gerät verfügte. Eine Kost­probe davon können Sie hier nach­hören und sich so einen Ein­druck vom Geläut der Paul-Gerhardt-Kirche ver­schaf­fen, wie es von 1899 bis 1941 erklang:

Ursprüngliches Geläut, 1941

Erste Fenster, erste Orgel

Auf den acht großen Kirchen­fenstern waren ursprüng­lich die Selig­preisun­gen aus der Bibel in Wort und schmücken­den Blüten­ranken dar­gestellt. Diese wurden im Krieg leider zerstört. Es sind keine Ent­würfe, Zeich­nungen oder Fotos von irgendeinem der Bumtglas­fenster über­liefert. Einzige Ausnahme davon ist das in der Galerie unten stehende Foto der ursprünglichen Beichtkapelle, auf dem man ein Fenster mit einer Darstellung des 12-jährigen Jesus im Tempel erkennen kann.

Die erste Orgel der Paul-Gerhardt-Kirche baute die Orgelbau­firma Lade­gast; sie hatte drei Manuale, ein Pedal, 34 Re­gister und 1886 Pfeifen. Sie wurde auf Initiative von Kantor und Kirchen­musik­direktor Johannes Muntschick 1974 durch eine Schuke-Orgel ersetzt.

Nachfolgend einige historische Fotografien:

Die Gestaltung des Umfelds

Es ist eigentlich ver­wunder­lich, dass die Kirche so zu­gebaut wirkt; vom Kreuz aus ist sie ja nur sehr be­grenzt zu sehen. Das lag auch gar nicht im Sinn der dama­ligen Kirch­vorste­her. Sie wollten zu­nächst ihr später zu bauen­des Ge­meinde­haus direkt gegen­über den Kirchen­eingang stellen und verhan­delten mit dem Rat der Stadt über einen Gebiets­austausch, in den man die durch den Abriss der alten Kirche an der Prinz-Eugen-Straße frei gewordene Fläche ein­brachte. Aus un­bekann­tem Grund wurde man jedoch nicht handels­einig.

Anfang 1907 begann die Stadt mit dem Bau der Sel­necker­straße. Bis dahin war das Areal vor dem Kirchen­eingang frei, aber nun drohte die Ver­bauung. Man er­suchte den Rat, »die Plätze 9 und 10 im Inter­esse der freien Lage der Kirche sowie zur Ge­win­nung eines guten Schau­bildes vom Kreuz aus nach Maß­gabe der bei­folgen­den Plan­skizze zu be­bauen«. Das lehnte der Rat ab, so auch den Vor­schlag, zur Pegauer Straße hin einen Schmuck­platz anzulegen.

Kirchvorsteher Nöllert bat in einer Eingabe, »die Bau­flucht­linien des östlich der Kirche gele­genen Blockes zu ver­drängen und auf dem so gewon­nenen Areale Vor­gärten vor­zusehen« und markiert auf einem Foto (letztes Bild oben) durch Linien die resul­tierende Erwei­terung des Sicht­barkeits­bereichs.

Das Foto enthält ein interes­santes Detail: die linke rote Linie geht nach unten über in einen lotrecht am Ende der Palisade auf­gerichte­ten Holz­mast. Dieser wird von einem schräg­stehen­den Balken gestützt, und er wird in der Senk­rech­ten fixiert von zwei Seilen; das Ende des einen Seils hält einer der beiden im Hinter­grund vor der Kirche stehen­den Männer fest in der Hand. Zimmerei­besitzer Nöllert wollte damit den Bau­behör­den im Rathaus klar­machen, wie sich die Einschrän­kung der Sichtbar­keit der Kirche bei Ver­wirk­lichung der städti­schen Pläne aus­wirken würde, und zu diesem Zweck ließ er diesen Mast für kurze Zeit auf­richten.

Man erwog im Übrigen sogar den Kauf der Grund­stücke, bekam aber beim Rat keinen Vor­zugs­preis. Also wurden die Grund­stücke schließ­lich ver­steigert und in den zwanziger Jahre des vorigen Jahr­hunderts auf eine Weise bebaut, die unsere Vor­fahren gern ver­hindert hätten.

Die Namensgebung

Im Sommer 1899 – der Rohbau der neuen Kirche war längst fertig – wurde im Kir­chen­vorstand erst­mals darüber dis­ku­tiert, welchen Namen die neue Kirche bekom­men solle. Es zeigte sich, dass die über­wie­gende Mehr­heit der Kirch­vorste­her, ein­schließ­lich des Archi­tekten, den Namen »Christus­kirche« favori­siert. Nur der Pfarr­amts­leiter, Pfarrer Martin Hasse, hatte andere Pläne; sein Favorit war »Philip­pus­kirche« (damals gab es die Kirche gleichen Namens im Leipziger Westen noch nicht).

Paul Gerhardt

Er konnte sich damit aber nicht durch­setzen, sondern das Gremium be­antragte beim Kon­sisto­rium die Zustim­mung zum Namen »Christus­kirche«. Hier­gegen intri­gierte Pfarrer Hasse aber geschickt, und nach­dem Ein­gaben- und Antwort­briefe zwischen der Kirchen­vorstands­mehrheit und dem Kon­sisto­rium mehr­fach kontro­vers gewech­selt wurden, musste der Super­inten­dent im Kirchen­vor­stand ver­mitteln. Man einigte sich schließlich salo­mo­nisch darauf, die Namens­frage vor­läufig auf sich beruhen zu lassen.

In den 1920er Jahren schlugen Gemeinde­glieder und -kreise mehrfach vor, der Kirche doch endlich einen Namen zu geben – aber man konnte sich noch immer nicht einigen. Das änderte sich, als im Juli 1934 ein Be­schluss des Kon­sisto­riums an alle evan­ge­li­schen Gemein­den Sachsens erging, man möge Kirchen, die noch keinen Namen besäßen, um­gehend einen Namen geben.

Nun ging es schnell: Der Kirchen­vorstand beschloss, um Geneh­mi­gung des Namens »Paul-Gerhardt-Kirche« zu bitten, die am 2.11.34 auch per Brief einging, so dass die Namens­gebung zum Conne­witzer Kirch­gemeinde­tag am 4. No­vember 1934 erfolgen konnte.

Die Geschichte der Namens­findung können Sie an dieser Stelle im Detail nachlesen:

Leipzig-Connewitz-Namensgebung.pdf (5,1 MiB)

Bauarbeiten und Ansichten aus DDR-Zeiten

Es sind uns erstaunlich wenige Fotos aus den Jahren zwischen 1950-89 über­kommen, insbesondere wenige von den durchaus auch in diesen Jahren vor­genom­menen Erhaltungs- und Reno­vierungs­maßnah­men. So wurden in den späten 1950-er Jahren, nachdem die Kirchen­fenster erneuert waren, alle Putz­flächen ab­gewaschen und in Pastell­tönen ausgemalt, ohne irgendeine ornamen­tale Betonung der Kanten, wie sie dann bei der zweiten Neu-Ausmalung in den 1980-ern vollzogen wurde. Dabei wurden die ursprüng­lichen Altar-Brüstungen und der Rahmen um das Abend­mahls­relief entfernt (und vermutlich leider ins Feuerholz gegeben). Auch wurde das Relief selbst an eine neue Stelle verpflanzt: 25 Jahre lang befand es sich nun an der linken Wand vor dem Triumph­bogen, über dem Taufstein. Dem lag die Idee zugrunde, die Sakra­mente »Taufe« und »Abendmahl« in eine enge räumliche Beziehung zu setzen.

Wegen des Geld- und vor allem Material­mangels konnte außen zunächst wenig gemacht werden. Als eine Neu­beblechung der Turmhaube dringend erforderlich wurde, musste man sich damit behelfen, das vorhan­dene Kupferblech, lediglich gewendet, neu auf­zubringen; davon ist ein Foto, das das Turmgerüst zeigt, überliefert. In den frühen 1980-er Jahren schließlich wurde die Kirche außen voll­kommen neu verputzt, was ihr endlich wieder ein würdiges Äußeres verlieh. Innen konnte eine zweite Neu-Ausma­lung in Angriff genom­men werden, bei der man, auch auf Anraten von Kunst-Sach­verstän­digen, sowohl das Abend­mahls­relief wieder an seinen alten Platz setzte als auch die Bogen­kanten durch Wieder­aufnahme alter Ornament­bänder betonte.

Erwähnenswert ist auch die Tatsache, dass das Gewandhausorchester viele Jahre lang unsere Kirche als Aufnahme­studio nutzte (das änderte sich erst mit der Fertigstellung des neuen Gewandhausgebäudes). Auf zahlreichen Amiga-Schall­platten­hüllen ist hinten der Aufdruck zu finden: »Aufgenommen im Studio Paul-Gerhardt-Kirche«. Nun war aber der mit inzwischen schadhaft gewor­denem Linoleum­belag bedeckte Dielen­fußboden sehr in die Jahre gekommen und stellte auch eine Unfall­gefahr dar. Das Prestige und die Beziehun­gen von Gewandhaus­kapell­meister Kurt Masur ermög­lichten die Auslegung des gesamten Fuß­bodens mit robu­stem Eichenholz­parkett, zum Nulltarif für die Kirch­gemeinde.

Die folgende Galerie dokumen­tiert dies alles recht lücken­haft. Wir bemühen uns, sie nach und nach zu ergänzen.